Carnivore Tour 2007

Die Stimmung im Lande erwies sich als äußerst passend. Vorweihnachtlich, gemütlich und behaglich stießen die US Amerikanischen Schlachtermeister von Carnivore gerade noch rechtzeitig dazu und bescherten dem friedlichen Europa eine Ladung ordentlichen Blutgenusses. Diese wirklich sensationelle Wiedervereinigung fand nach dem W:O:A 2006 und dem anschließenden Hamburger Konzert also tatsächlich Zeit und Raum für eine nicht gerade kleine Europa Tour.

Mit vorangegangenen Aufrufen, sich als „Blutmädchen“ zu bewerben, schossen die Jungs auf ihrer MySpace Seite bereits den ersten Vogel ab. War es doch eine entzückende Freestyle Englisch – Deutsch Übersetzung, die auch den Metalminder dazu brachte, ein kleines Zitat dieses lyrischen Wunderwerkes zu stibitzen. „KLICKEN SIE HIER JETZT!!!“ – Lesen Sie hier nun die fleischfressende Geschichte von und mit Peter Steele – Live in Europe!

30.11.2007 – Essen – Weststadthalle

Nach einer schier unendlich erscheinenden Type O Negative Tournee durch Nordamerika und Europa, sowie einigen Festivalauftritten, sollte man meinen, dass Frontmann Peter Steele sich erst einmal wieder für einige Zeit zurückzieht und eher wenig von sich hören lässt. Aber falsch gedacht! Herr Steele mobilisierte seine Kollegen von der New Yorker Thrash Legende Carnivore und sorgte nochmals für Furore in Europas Musikclubs.

Der Startschuss fiel mitten im Ruhrpott, genauer gesagt in der Essener Weststadthalle, welche eine ansehnliche Schar von Fans vorweisen konnte. Den Opener gaben die englischen Haudegen Raging Speedhorn, die schon als Warmmacher für Szenegrößen wie Ministry, Slipknot oder Rammstein unterwegs waren. Mit ihrem aktuellen Album „Before The Sea Was Build“ im Repertoire und einer definitiv energischen, sowie gradlinigen Mischung aus Brutalität und ordentlich Speed, lieferten die 6 Jungens einen kraftvollen Einstieg in den Abend.

Im Anschluss folgte dann die sehnlich erwartete Ankunft der Fleischfresser aus dem Big Apple. In typisch Steele`scher Manier gab es einen Akkord auf die Ohren und die Bühne wurde wieder verlassen, ein allseits beliebter Scherz der Truppe. Kurz darauf wurde dann wirklich losgelegt, mit „Carnivore“ und „Race War“ war der Einstieg perfekt und Band, sowie Fans voll und ganz in ihrem Element.

Nach kurzer Zeit brodelte die Halle und auch die Band legte nach anfänglich etwas holprigem Sound eine eingespielte Performance hin. Ohne Umschweife wurden „Angry Neurotic Catholics“ und „Male Supremacy“ dargeboten, wobei bei letzterem die wundervoll ruhige Passage leider ausgespart wurde. Des Weiteren folgten „Inner Conflict“ und das neu in die Setlist aufgenommene „Technophobia“, welches auf der Reunion- Tour 2006 nicht live gespielt wurde. Vor der Stage bildeten sich zeitweilig besorgniserregende Moshpits, bei deren Anblick einige Besucher wohl froh waren, in ruhigere Zonen der großzügigen Weststadthalle ausweichen zu können.

Die Stimmung erreichte bei „Predator“, „Helter Skelter“ und dem unausweichlichen „Jesus Hitler“ den Höhepunkt. Um diese Energie weiter anzuheizen gab es nach einer kurzen Pause „World Wars III And IV“ und „Sex And Violence“ in nett anzusehenden, blutverschmierten Schlachterschürzen zu bewundern. Carnivore begeisterten an diesem Abend in Essen eine Schar von Metalfans, welche sichtlich zufrieden den Heimweg antraten.

01.12.2007 – Osnabrück – Hyde Park

Eine kurze Nacht später dann die Ankunft in Osnabrück. Nettes und gemütliches Städtchen wie uns scheint. Heute jedoch keine Zeit für Sightseeing, auch die leisen Stunden dieses Samstages sollten bald ein Ende haben. Die Location an diesem Abend eine ziemliche ernüchternde, leicht enttäuschende Sache.

Schon rein äußerlich erweckt der Hyde Park den Eindruck einer zweitklassigen, unangenehmen Dorfdisco, was sich dann auch leider im Inneren nicht mehr drehen lässt. Backstage eine totale Katastrophe, da quasi nur ein Raum zur Verfügung steht. Für allgemeines Abhängen vielleicht ganz gut geeignet und bequem, erweist sich die mangelnde Rückzugsmöglichkeit und das absolute Fehlen jeglicher Ruhe für Konzertzwecke als Nachteil.

Nichtsdestotrotz ist die Stimmung in der Band dieser Tage klasse, Peter hat wie erwartet ein leicht heiseres Stimmchen, was vom Rotwein trinken und Predigen jedoch nicht abhält und auch Paul, Joey und Steve wissen sich die Zeit mit nützlichen Dingen wie Kontaktlinsen wechseln, Gitarre spielen, Trommeln oder einfach sinnfreiem Popowackeln zu vertreiben.

Keine Spur mehr von fälschlicherweise angenommenen Schusswechseln in der benachbarten Waldanlage. Die Show an diesem Abend der vorherigen sehr ähnlich, Setliständerungen Fehlanzeige, das übliche –nach dem ersten Akkord Abtreten- wie immer Standard. Einzig der innere Schwung (Konflikt, ha ha) und der Sound bestachen an diesem Abend durch gesteigerte Qualität. Gesamteindruck besser als in Essen, der gewisse Kick scheint allerdings noch verborgen.

Den Beinamen Dorfdisco wohlverdient, begannen auch schon sofort nach Konzertende die Umbauarbeiten für den normalsterblichen Tanzabend und NATÜRLICH ging dem DJ zu allererst der wahnwitzige Knaller durch die Boxen, die andauernde Umbauphase mit den Klängen von Type Os „Black No. 1“ zu versüßen! Ahhh…

Keine Ahnung, was sich vor der Bühne zu dieser Zeit abgespielt hat, aber Backstage gab es kein Halten mehr. Peter kämpfte zwischen Lachen und Weinen, fiel dann allerdings in ein leicht wahnsinniges Übergrinsen über und grölte seinen alten Gassenhauer lauthals mit (als „Schwarz Nummer Eins“ Variante versteht sich), während die restliche Band samt Crew in rhythmisches Tanzen überging. Absurd, gewiss – aber herrlich!

Später diesen Abends gab es noch eine ausgedehnte Autogrammstunde, während sich allmählich das „normale“ Discopublikum unter die standhaften Carnivore Fans mischte und sich die Band sogar für kurze Zeit unters Volk auf die Tanzfläche wagte. Ja, sogar der Bandleader versuchte, das Beinchen zu schwingen, schlenderte dann aber nur kurz im Kreis und suchte wieder den Frieden hinter der Bühne. Abschließend ist für diesen Abend ein deutlich erhöhter Konsum alkoholischer Getränke anzumerken und die damit einhergehenden Stimmungsschwankungen vs. Schleudergefahren nicht gerade vorbildlich.

Aber nun denn!

So ist das Leben auf Tour nun mal, ein ständiges Auf und Ab! Leichtes Unverständnis an dieser Stelle auch gegenüber diesen nach wie vor zahllosen „Fans“, die auch in unangebrachten Situationen nicht zu verstehen wissen, dass auch der große Peter S. nur ein einfacher Mensch ist, der vielleicht mal ein wenig Ruhe und eine Auszeit von den ständigen Belagerungen verdient hat.

Manchmal erreicht man durch Zurückhaltung und Verständnis mehr Respekt als durch hartnäckige Dauerpräsenz!

04.12.2007 – Berlin – Columbia Club

Aggro Berlin! Besser geht dieser Ersteindruck des Tages gar nicht zu beschreiben. Wetter nicht so toll, die Fahrt auf der Autobanh trotz grandioser Begleitmusik (Megadeth „Countdown To Extinction“) sterbenslangweilig und auch die letzten Fetzen Müdigkeit waren noch nicht ganz abgeklungen. Doch der schlagartige Schock sollte nicht lange fernbleiben. Kein geringerer als Bushido himself, “Meister des Hip Hop, Rapper des Bösen, Black Metal Melodien Dieb“, trat genau im Nebengebäude des Columbia Clubs auf. Na prima!

Da war es dann plötzlich vorbei mit der Langeweile. Drängelnde Bushido Fans wohin das Auge reichte, ein auf der Straße befindliches Polizeiaufgebot wie zu Zeiten der schlimmsten Demos prägten den oberflächlichen Eindruck dieses Tages. In Wirklichkeit gab es jedoch keinen einzigen Funken des Unwohlseins und auch die berühmt berüchtigten Aggressionen blieben aus. Auf dem Hof der beiden Veranstaltungsorte standen Carnivore- und Bushido-Tourbus Seite an Seite und niemanden hat’s gekümmert. Keine feinseligen Aktivitäten zu beobachten!

Schade nur, hätten wir das eher gewusst, hätten wir unsere Dimmu Borgir Pyjamas übergeworfen, so als Mutprobe des Tages…

Willkommen in der Hauptstadt! Nach Sightseeing und Soundcheck waren die Jungs von Carnivore fit für das Konzert im vollen Columbia Club in Berlin.

Die Herren Steele, Bento, Tobin und JoeyZ ließen wie gehabt den englischen Jungspunden von Raging Speedhorn die ehrenvolle Aufgabe zuteil werden, dem Club ordentlich einzuheizen. Gesagt getan, nach diesem Auftritt wurden die Nerven der Anwesenden allerdings auf eine harte Probe gestellt. Denn bevor Carnivore endlich die Bühne betraten gab es gefühlte 100-mal hintereinander den Nena Song „99 Luftballons“ zu hören, was verständlicherweise zu argen Missstimmungen im Publikum sorgte.

Nach dieser Zerreißprobe war es dann endlich soweit, Carnivore kamen und gingen wieder, also die übliche Humordemonstration, welche angesichts der eh schon gespannten Lage vielleicht nicht unbedingt von Nöten gewesen wäre. Nun gut, die Situation entspannte sich sofort bei den ersten Akkorden von „Carnivore“ und das darauf folgende „Race War“ entschädigte für so manche Geduldsprobe.

Die gesamte Setlist der vorangegangen Konzerte wurde exakt beibehalten und garantierte für jeden Klassiker der Truppe. Das Beatles Cover „Helter Skelter“ entfachte diesmal eine ganz besonders angenehme Atmosphäre und sorgte für ausgelassene Fans.

Finale bildete natürlich das blutig unterstrichene „Sex And Violence“, welches von zwei hübschen jungen Damen, mit „wenig“ Stoff am Körper, visuell vervollständigt wurde.

Damit war der Gig beendet und hinterließ freudig strahlende Gesichter. Man konnte während des gesamten Auftritts förmlich die Freude am Spiel der Band spüren, was bei Herrn Steele ja leider nicht immer der Fall ist. Carnivore versprühten all ihren Charme und machten Freude auf ein baldiges Wiedersehen.

Obwohl eingeladen, verabschiede man sich nach der Show in Berlin und wünschte der Band in Prag & Co. Weiterhin den verdienten Erfolg.

Was bei dieser Tour als unangenehmer Beigeschmack zu verzeichnen war, sind wohl die kleinen Unverschämtheiten wie z. B. für ein Poster 10 Euro zu verlangen und dann bei anschließenden Autogrammstunden wirklich und ausdrücklich nur dieses Poster signieren lassen zu dürfen (so geschehen in Berlin). Das geht einfach gar nicht! Auch die unflexibel gehaltene Setlist und das komplette Fehlen eines neuen Songs wirken eher belanglos einstudiert als irgendwie motivierend.

Viele Fans haben mehr erwartet und bei dieser eigentlich spektakulären Reunion ist ihnen die Enttäuschung keineswegs zu verübeln. Für wage angedeutete Auftritte im Jahr 2008 oder zumindest in allgemeiner Zukunft sei also zu hoffen und eigentlich auch frech zu fordern, dass sich das Brooklyner Ensemble zusammensetzt, an Performance feilt und endlich das geplante neue Material zusammensetzt. Es ist ja nicht gerade die allerschwerste Kost, die hier zelebriert wird, die Umsetzung also durchaus machbar und an guten Musikern mangelt es ja auch nicht!

In diesem Sinne – Let´s Have A War!

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